Das Produktlebenszyklusmanagement im Zeitalter der intelligenten Geräte – ein Interview mit Eric JoAchim Liese

Wie bist du ein KI Leader bei B/S/H geworden?

Ich habe sehr früh mit der Programmierung angefangen. Mit 12 habe ich meinen ersten Computer geschenkt bekommen und wollte nach kurzer Zeit dann auch die Hardware verbessern. Mein Vater war Elektroingenieur und hat mir beigebracht, mit Hardware zu basteln. 

Schon als Kind war ich von Bionik  fasziniert. Insbesondere wollte ich verstehen,, wie die Natur die Probleme so elegant gelöst hat und wie wir das mit Hilfe von Technik nachahmen  können. Ähnlich geht es mir mit der Künstlichen Intelligenz (KI). Ich war immer fasziniert davon, wie Menschen und Tiere lernen. Wir sind sehr weit davon entfernt, das zu verstehen. Als Kind wurde ich von Captain Picard und vor allem Commander Data inspiriert, der einen Androiden, also eine hochintelligente Maschine in Menschengestalt verkörperte, die danach strebte, menschlicher zu werden und zudem ein Freund für alle zu sein.. 

Ich habe Informatik und Mathematik studiert. Während des Studiums fokussierte ich mich dann auf den Schwerpunkt  “Lernende Systeme“, was man heute als ML/AI bezeichnet. Ein Professor hat die Begeisterung für KI geweckt. Er hat es geschafft, das Feuer in  uns, seinen Studenten, zu entfachen.  Meine Diplomarbeit hatte als Schwerpunkt die Evolution der  Rezeptoren der Augen mittels genetischer Algorithmen. 

Ich finde die Mission der BSH, die Lebensqualität der Menschen in ihrem Zuhause zu verbessern, u.a. durch intelligentere Geräte, inspirierend und kann mich  damit identifizieren. Ebenso mit den Ansprüchen an eine herausragende Qualität der Produkte.

Was fasziniert dich an Smart Hardware / KI-Produkten eingebettet in Hardware?

Geräte können komplexere Aufgaben übernehmen, obwohl gleichzeitig  die Bedienung einfacher wird.

Das Gerät versteht die Intention der Menschen besser. Die alten Geräte hatten viele Knöpfe, was keine Intelligenz auf Seiten des Geräts erforderte. Dank KI können Menschen zunehmend direkt mit intelligenten Geräten kommunizieren und verstanden werden, was das Benutzererlebnis stark verbessert.

Die zunehmende Autonomie der Geräte und die Möglichkeit, Mensch-Maschine Interfaces und damit die Bedienung zu verbessern.

Dazu muss das Gerät selbst intelligenter werden. Es ist wichtig, dass die Berechnung am  Edge, also im Gerät durchgeführt wird , damit das Gerät nicht vom Rechenzentrum abhängig ist. Wenn die Verbindung unterbrochen wird oder langsam ist, erhalten  die Benutzer sonst keine  Antwort oder die Antwort kommt nicht rechtzeitig. Das führt zu einem negativen  Kundenerlebnis. Autonomie ist sehr wichtig. Autonomie bedeutet, dass diese Geräte unabhängig von einer externen Verbindung zu  Rechenkapazität  sind. 

Was sind die größten Unterschiede zwischen dem Lebenszyklusmanagement eines Hardware Produkts und dem eines Softwareprodukts?  

Die Planung beim traditionellen Hardware-Geschäft ist viel aufwendiger und weniger agil.

Ein Hardware Produkt wird verkauft und danach kann es nicht mehr verändert werden. Unzufriedene Kunden können die Geräte zurückrufen, was mit Geld und Imageschaden verbunden ist. 

Bei Hardware kann man nur das Feedback einfließen lassen und das Produkt für die nächste Generation verbessern.

Software kann kontinuierlich verbessert werden. Neue Funktionen können hinzugefügt werden.

Feedback von Kunden kann entgegengenommen werden. Wenn ein Kunde unzufrieden ist, dann kann man die Funktion eines Gerätes auch nach dem Verkauf der Hardware noch verbessern und den Kunden bereitstellen. 

Was sind die Herausforderungen bei diesem Wandel?

Umdenken, Aufgeschlossenheit, Anpassung der Design- und Produktionsprozesse 

Umdenken und Aufgeschlossenheit sind nötig. Der Design Prozess ist anders. Man muss mehr Visionär sein. Die Hardware  muss zukunftssicher sein, um Anpassungen der Software und auch Erweiterungen durch neue Funktionalitäten zuzulassen. Die Anpassung der Design- und Produktionsprozesse sind sehr wichtig.

Vorausschauende Planung der Hardware im Kontext der Erweiterbarkeit durch neue Software-Funktionen. Es ist z.B. wichtig, die Rechen- und Speicherkapazität der Hardware so zu planen,  dass  Software-Updates möglich sind.  Die Hardware sollte also nicht zu restriktiv sein. 

Zusätzliche Formen von Support, über die Hardware hinaus sind nötig

Als Unternehmen, wenn das Produkt ein Problem hat, wie hilft man den Kunden? Support bei Software Produkten ist anders als bei Hardware Produkten. Feedback kann dazu führen, dass eine Verbesserung oder Fehlerbehebung der Software entwickelt und dem Kunden  zur Verfügung gestellt wird. Somit kann das Produkt auch nach dem Verkauf noch aufgewertet und damit die Kundenzufriedenheit erhöht werden. Dies führt zu einer positiven Wahrnehmung der Marke beim Kunden. Prozesse müssen geschaffen werden, um Feedback entgegenzunehmen und auszuwerten. Updates bei Produkten, die schon bei Kunden sind, müssen möglich werden. Prozesse müssen geschaffen werden, um dies zu ermöglichen. Viele Prozesse müssen angepasst werden, was ebenfalls hohe Investitionen erfordert. Management muss einschätzen können, welche Form von Investitionen Sinn macht (“high impact, low cost”). 

Die Produkte von heute Zukunftssicher zu machen 

Wie plane ich Hardware, so dass zukünftige Updates möglich sind. Die Hardware kann nicht zu knapp geplant sein. Manchmal ist ein Update nicht möglich, weil die Ressourcen in der Hardware alle verbraucht sind. 

Welche Art von organisatorischen Änderungen im Product Lifecycle Management sind erforderlich?

Ein Team zur Betreuung der verkauften Software.

Das Team macht nicht nur Fehlerbehebung, sondern wertet das Gerät aus und kann neue Funktionen entwickeln.

Parallel Streams müssen geschaffen werden, die neue Geräte entwickeln.

Im Support Bereich muss ein Team vorhanden sein, das Legacy Product weiter mit Software-Updates betreut. Beide müssen parallel laufen. Das habe ich nicht bei traditionellem Hardware Geschäft. 

Mit jedem neuen Produkt habe ich im Extremfall ein neues Team.

Das ist ein Umdenken. Vorher konnte man schon sequenziell arbeiten. Jetzt ist eine parallele Entwicklung nötig.

Welche Veränderungen in der Denkweise der Unternehmensführung sind notwendig? 

Das Verhältnis zwischen Investitionen in alte und neue Produkte

Für Management ist es schwierig, das richtige Verhältnis zwischen Investitionen in alte und neue Produkte zu finden. Es geht darum, den Marktanteil von verschiedenen Produkten zu optimieren. Updates alter Produkte haben eine positive Auswirkung auf die langfristige Kundenbindung, aber der Anreiz, neue Produkte zu kaufen, kann dann sinken. Es muss also eine Balance gefunden werden.

Daten werden auf einmal ein Asset für die Firma. 

Datenprodukte haben ein anderes Geschäftsmodell. Ich muss daran denken, wie ich den Wert von Daten steigern kann. Wie investiere ich, wenn der Zeithorizont bis zur Rendite mit Daten länger ist?  Datensammeln im traditionellen Hardware-Geschäft ist kürzer. Mit KI habe ich weitere Möglichkeiten, Daten zu sammeln. Man muss daran denken, dass die Sammlung von Daten einen anderen Wert hat. Manche Sensoren haben höhere Kosten, aber sie geben mir bessere Trainingsdaten. Wenn ein Sensor 10 Cent mehr kostet, dann kann es sich trotzdem lohnen, den teureren Sensor einzubauen, wenn er qualitativ bessere Daten generiert, deren Mehrwert mittel- bis langfristig dessen Zusatzkosten übersteigt.  Ich muss also langfristiger denken. Ich muss an das Verbesserungspotential von Produkten der nächsten Generation denken, oder der nächsten drei oder vier Generationen.

Um Einstein zu paraphrasieren: The same mindset that brought you here won’t bring you to the next level. 

Welchen Rat hast du für Data Practitioners und Manager, die diese Reise durchmachen? 

Data Practitioners

Firmen sollten sich mindestens eine Senior Person leisten, die schon da war, wo die Firma sich hinentwickeln möchte, also die nötigen Erfahrungen gemacht hat und den Weg dahin kennt. Diese Person sollte eher Generalist sein. Er oder sie muss nicht der  beste Programmierer, Data Scientist oder ML Engineer sein, sondern diese Person muss tiefe und breite Erfahrungen haben, um das Gesamtbild zu sehen. Zudem sollte sie  sehr gut kommunizieren können.

Prozesskenntnisse und technisches Wissen durch eigene Erfahrung sind sehr wichtig und die Fähigkeit, andere Leute zu begeistern, ist sehr wichtig. Diese Person muss Juniors einstellen und einarbeiten können. Die Begeisterung muss auch da sein. Diese Person muss auch andere begeistern können und erklären, warum die Wandlung notwendig ist.

Die Leute, die 20 Jahre Erfahrung im traditionellen Hardware-Geschäft haben, haben viel richtig gemacht. Die Technik hat sich nur weiterentwickelt. Man darf nicht respektlos sein. Die Leute haben viel Wissen.

Es ist wichtig, dass diese Person mit sehr erfahrenen Fachleuten aus dem Bereich der traditionellen Hardware kommuniziert und ihnen klar macht, dass sie nicht überflüssig geworden sind, aber zusätzliche Weiterentwicklung benötigen. Die erfahrenen Fachleute müssen bleiben und engagiert werden. 

Manager: 

Managers benötigen Aufgeschlossenheit. Sie müssen denken: Wir stellen diese Seniors ein. Die sind erfahrene Experten. Sie haben die Reise gemacht. Die sind ein Guide, der uns zum Ziel bringt. Wenn sie nicht aufgeschlossen sind, dann funktioniert es nicht. 

Das Vertrauen zwischen Management und Senior  muss da sein.

Was sind einige deiner Erfolgsgeheimnisse?

Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen, gepaart mit der positiven Einstellung eines Visionärs bzw. Pioniergeist. Man muss leider in vielen Firmen hartnäckig so lange gegen Betonwände rennen, bis sie erste Risse zeigen und dann nach und nach einbrechen. 

Sich nicht von den begrenzten und oft negativen Glaubenssätzen anderer zu sehr anstecken lassen. Mein Motto: “Impossible is just another word for lack of imagination”. Man hört die Einschätzung, dass etwas “unmöglich” sei, sehr oft in großen, wie auch in kleinen Firmen.

Die vielen Jahre Erfahrung in der IT haben mir gezeigt, dass diese Einschätzung meist falsch ist und mehr über den Mangel an Mut und Fantasie desjenigen aussagt, als über die tatsächliche Schwierigkeit des zu lösenden Problems.  

“The graveyard is the richest place on earth, because it is here that you will find all the hopes and dreams that were never fulfilled, the books that were never written, the songs that were never sung, the inventions that were never shared, the cures that were never discovered, all because someone was too afraid to take that first step, keep with the problem, or determined to carry our their dream.”  — Les Brown

Wer ist Eric JoAchim Liese?

Eric Joachim Liese, Dipl. Mathematiker, Jahrgang 1970

Er hat Mathematik und Informatik mit Schwerpunkt künstliche Intelligenz an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz studiert.

Sein Hauptinteresse gilt der Unterstützung der kulturellen, organisatorischen und technologischen Transformation von traditionellen Unternehmen hin zu Data- und AI-Driven Companies.

Aktuell arbeitet er als leitender Architekt, Advisor und Mentor für die Schwerpunkte AI und Data in der BSH, einem Tochterunternehmen von Bosch.

Davor war er viele Jahre als Consultant, Data Scientist und ML-Engineer tätig.

Sein Einstieg in die IT-Berufswelt erfolgte bereits kurz vor dem Abitur und setzte sich nebenberuflich während seines Studiums fort. Zu anfangs arbeitete er mehrere Jahre als Software Engineer in den Bereichen hardwarenahe Entwicklung für medizinische Geräte sowie Fluginformations–Systeme, später einige Jahre im Web-Development mit Schwerpunkt Online-Shopsysteme.

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